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Ausgabe 12/2004

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5. März 2004, Österreich

CARPATIA
Dokumentarfilm �ber eine �terra incog-nita" in der Mitte Europas

von Raimund Gerz

Eine �terra incognita im Bewusstsein von Westeurop�ern" nennen die Filmemacher Andrzej Klamt und Ulrich Rydzewski die Karpaten - jene Land-schaft �stlich von Wien, die das s�d-liche Polen, Ungarn und die Ukraine ber�hrt und in der slowakischen Ho-hen Tatra ihren h�chsten Punkt er-reicht. Diese L�nder geh�rten bis 1918 zur �sterreichisch-ungarischen Do-naumonarchie und gerieten nach 1945 in den Einflussbereich der Sowjet-union.
      CARPATIA ist eine Liebeserkl�r-ung der Filmemacher an diese fremde Mittel- und Hochgebirgswelt und ihre Bewohner. Klamt, der unweit der Kar-paten in Polen aufwuchs, und Ryd-zewski n�hern sich der Landschaft dddddddddd
langsam und respektvoll. Der Rhythmus ihrer Bilder versucht, den Lebens-rhythmus von Natur und Menschen in filmische Impressionen zu �bersetzen. Das Ergebnis ist eigenwillig und faszinierend zugleich. Eigenwillig, weil man sich an die langen, fast statischen Einstellungen und lang-samen Kamerafahrten erst wieder ge-w�hnen muss; faszinierend, weil die-se Bilder eine enorme Kraft ent-wickeln und den Zuschauer bis zum Ende der Reise nicht mehr loslassen. Die Filmemacher sind dabei sichtbar bem�ht, die Eigenart der Landschaft durch filmische Mittel zu unterstrei-chen. Ihre Naturtableaus, zu unter-schiedlichen Jahres- wie Tageszeiten aufgenommen, erstrecken sich unter einem weiten, von Wolken und Licht oft dramatisch und effektvoll aus-staffierten Himmel. Im Wechsel zu den Totalen finden sich Miniaturen wie im Wind sich wiegendes Gras oder kahle B�ume, die wie bizarre Wesen im Ne- dddddddddd
bel stehen. Dennoch ist CARPATIA kein �Naturfilm", noch weniger ein be-lehrendes Feature. Kein Kommentar oder Offton st�rt seinen meditativen Charakter. Die Bilder verlieren sich nicht in jenem - oft musikalisch aufge-ladenen - Pathos, das �Bergfilme" so schwer ertr�glich macht. Klamt und Rydzewski verzichten v�llig auf Mu-sik. F�r die Ger�uschkulisse bedienen sie sich einfach bei der Natur selbst: Wind und Regen, Donner und die Laute der Tiere bilden den �Soundtrack" die-ser Sequenzen.
      Die �Bilder aus der Mitte Europas" (Untertitel) lassen aber vor allem Men-schen zu Wort kommen, die in dieser multinationalen Landschaft leben: da-runter ukrainische Huzulen, Goralen aus den polnischen Beskiden, rum�-nische Sinti und galizische Juden. Und diese Menschen machen deutlich, dass das Leben in der Gebirgsland-schaft haupts�chlich von Entbehrung-en und, immer wieder, auch von Um- dddddddddd
br�chen gepr�gt ist. Die huzulischen Bauern, die �Freiheit und die frische Luft" dem Stadtleben vorziehen, er-z�hlen von harten Wintern und hun-grigen W�lfen. Galizische Juden be-richten vom Untergang ihrer einstmals bl�henden Kultur. Die Rote Armee habe sie im Stich gelassen, nach ihr-em Abzug h�tten sich die nicht-j�dischen Nachbarn - in Erwartung der Deutschen - die Besitzt�mer der Ju-den gewaltsam angeeignet. Hitler, so ein Rabbi, habe die galizischen Juden �k�rperlich ermordet". Die �geistige Vernichtung" h�tten sp�ter die Sow-jets vollendet. Das Jiddische und das Hebr�ische seien als Sprache in die-ser Gegend weitgehend verschwun-den, ebenso j�dische Tradition und Lebensart. Die Synagoge von Kolom-yja, so bef�rchtet ein alter Mann, werde wohl in einen Jugendclub umgewandelt - wenn die letzten Gl�u-bigen verschwunden sind.
      Es sind nicht nur die langen dddddddddd
Schatten der Geschichte, die auf die-ser Landschaft liegen. Es k�ndigen sich neue Bedrohungen an. Im rum�-nischen Transsilvanien haben die dort sesshaften Sinti neben der Diskrimi-nierung als Volksgruppe auch ver-sch�rfte Armut zu erdulden, weil die Privatisierung ehemals staatlicher Ein-richtungen Arbeitspl�tze vernichtet. Auch in den rum�nischen Westkar-paten wird die neue Zeit gravierende Spuren hinterlassen. Tiefe Wunden hat eine Goldmine, die im Tagebau ausge-beutet wird, bereits hinterlassen. Nun m�ssen den Expansionsgel�sten westlicher Investoren weitere men-schliche Siedlungen weichen, die Ent-wurzelung der Bev�lkerung schreitet voran.
      Andrzej Klamt, dessen Doku-mentarfilm VERZEIHUNG, ICH LEBE von der Jury der Evangelischen Filmarbeit zum �Film des Jahres 2000" gew�hlt wurde, und Ulrich Rydzewski, der mit Klamt unter anderem den preisge- dddddddd
kr�nten Dokumentarfilm PELYM (1996 - 1998) realisierte, erweitern mit ihrem CARPATIA-Projekt nicht nur unseren geographischen und kulturellen Hori-zont. Ihr eindrucksvoller Film ist auch ein Beleg daf�r, welche Intensit�t und Aussagekraft dokumentarische Bilder haben k�nnen - wenn man ihnen, jen-seits aller Quotenhektik und TV-Ge-schw�tzigkeit, M�glichkeiten zu ihrer Entfaltung bietet.